Bilanz zu unverhältnismäßiger Gewalt mit vielen Verletzungen durch Polizeieinsatz am Protesttag 29.06.

Nachdem am Wochenende über 70.000 Menschen erfolgreich mit bunten Protesten und Konzerten ein Zeichen gegen die menschenfeindliche Politik der AfD gesetzt haben, kommt es nun vielfach zu Berichten von Verletzungen durch Polizeihandlungen. Innerhalb eines Tages sind auf den öffentlichen Aufruf des ‚Aktionsbündnis widersetzen’ über 80 detaillierte Berichte über erfahrene oder beobachtete Gewaltausübung und daraus folgende Verletzungen eingegangen, Tendenz steigend. Das Bündnis bemüht sich um eine gute Betreuung der Betroffenen, die sich für die entgegengebrachte Solidarität bedanken. Aktuell werden diese Berichte zusammengetragen und dokumentiert, um das Ausmaß der Gewalt und eventuelle Rechtsbrüche erfassen zu können. Auch Rechtsanwält*innen haben eine Stellungnahme geschrieben (im Anhang und auf der Website widersetzen.com zu finden).

Nachdem zahlreiche Medienberichte sich um Ausschreitungen durch Demonstrierende und die zahlreichen verletzten Polizist*innen drehen, kritisiert das Bündnis widersetzen:
Wieder einmal behandeln Medien Polizeiaussagen als unabhängige Quelle für ihre Berichterstattung. Ohne Beweise erbringen zu müssen, werden friedliche Demokrat*innen dämonisiert und brutales Vorgehen von Polizist*innen legitimiert. Wo sind denn die krassen Bilder der Ausschreitungen durch Demonstrierende und brennende Mülltonnen? Die gab es nicht! Statt sich an uns als Feindbild abzuarbeiten, sollte sich lieber mit den Auswirkungen der rechten Stimmungsmache auseinandergesetzt werden wie dem erneuten Angriff auf behinderte Menschen in Gevelsberg”, so Jule Liebig, Pressesprecherin des Bündnis widersetzen. 

Die jüngsten ableistischen Vorfälle in Mönchengladbach und Gevelsberg sind dramatisch. Bei den Protesten am Wochenende wurde versucht, soweit es ging, Barrieren abzubauen, doch Sönke, ein Mensch, der mit Schwerbehinderung beim Protest dabei war, weist darauf hin: „Nach unseren Informationen wurde polizeilich veranlasst, sämtliche Aufzüge und Rolltreppen im Hauptbahnhof zu sperren. Sollte damit Menschen mit Behinderung die Teilnahme an den Protesten wie so oft maximal erschwert werden? Behinderte Menschen haben für die AfD keinen Platz in der Gesellschaft, deshalb ist dieser Protest so wichtig! Teile der Polizei machen auch bei Protesten oft keinen Halt behinderten Menschen oder es wird ihnen abgesprochen, für sich selbst Entscheidungen zu treffen.”

Während Teile der AfD in den sozialen Medien das schockierende Verhalten von Stefan Hrdy feiern, der gezielt eine Gruppe Demonstrierender bespuckt hatte und an anderer Stelle einer Person ins Bein biss, stellt Katharina Schwabedissen von widersetzen klar: “Es kann nicht sein, dass unzählige Menschen an diesem Tag mit Verletzungen sowie physischen und psychischen Beschwerden zu kämpfen haben, während die polizeilichen Berichte ein Bild der aufgebrachten Gewaltexzesse inszenieren und vom eigentlichen Inhalt abgelenkt wird: Wir widersetzen uns der menschenfeindlichen Politik der AfD und dem Aufstreben der Rechtsextremen in Europa und verbünden uns über gesellschaftliche Grenzen hinweg. Wir kennen unsere Geschichte und wollen weder ein weiteres Frankreich noch ein weiteres 1933!”

Aus den bisher erfassten Berichten gehen Verletzungen wie Arm, Nasen- und Jochbeinbrüche, starke Augenreizungen, Atemnot und Bewusstlosigkeit hervor. Menschen beschreiben einen Einsatz von zum Teil behandschuhten Faustschlägen sowie Tritten, Pfefferspray, Schmerzgriffen oder Schlagstöcken, wobei die Handlungen teilweise gezielt auf Kopf, Hals, Brustkorb, Leber und Niere ausgeführt wurden. Hinzu kommen etliche Berichte von Prellungen, Stauchungen, Hautreizungen, beschädigten Zähnen und Platzwunden. Zu den Menschen, die Berichte gesendet haben, zählen neben Gewerkschafter*innen (ver.di Fachbereich B Hamburg, Erklärung im Anhang und auf der Website ) auch Menschen mit Migrationshintergrund, Minderjährige, Menschen mit Behinderung sowie Menschen höheren Alters. 

Die Fassungslosigkeit gegenüber dem Einsatz der Einsatzkräfte am Samstag teilt auch Anja Rautenberg, Gewerkschafterin, die aus Hamburg angereist war, um mit zu demonstrieren: “Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben Angst auf einer Demonstration und bin zutiefst erschrocken über die einseitige öffentliche Darstellung. Während wir unsere demokratische

Pflicht ernst genommen und uns den Faschisten friedlich widersetzt haben, hat die Polizei unverhältnismäßig harte Gewalt ausgeübt. Das können wir so nicht hinnehmen.”

Auch Philipp Türmer, Juso-Bundesvorsitzender, selbst an dem Tag in Essen, kritisiert: „Sich dem Hass und der Hetze der AfD zu widersetzen, ist eine Bürger*innenpflicht. Deshalb haben am Wochenende in Essen mehr als 70.000 Menschen bei zahlreichen bunten Protestaktionen ein klares Zeichen gegen diese faschistische Partei gesetzt. Wir Jusos verurteilen die unverhältnismäßige Gewalt von Teilen der Polizei gegenüber Demonstrant*innen, die wir am Samstagvormittag selbst miterlebt haben. Das reflexartige Verteidigen der Polizei und Beschuldigen von linken Demonstrant*innen durch Innenpolitiker*innen ist vollkommen unangebracht. Herbert Reul muss diese Vorfälle ordentlich aufklären.“

Auch Svenja Appuhn, Bundessprecherin der Grünen Jugend und am Samstag vor Ort in Essen, fügt hinzu: „Am Samstag haben sich zahlreiche Menschen nach Essen begeben, um sich der faschistischen AfD zu widersetzen. Ich weiß von Schüler*innen, Pflegekräften, Studierenden und Rentner*innen, die sich in Essen friedlich dieser rechtsextremen Partei in den Weg gesetzt haben. Einer Partei, die unsere Demokratie verachtet, unseren Sozialstaat aushöhlen und im großen Stil Menschen aus Deutschland deportieren möchte. Dass dabei etwa Demoteilnehmende schon kurz nach dem Ausstieg aus dem Bus mit Pfefferspray angegriffen wurden und sich nun die  Berichte von Polizeigewalt häufen, ist nicht hinnehmbar. Es kann nicht sein, dass Menschen, die sich einer menschenfeindlichen Partei friedlich und mit Mitteln des zivilen Ungehorsam widersetzen, Angst um die körperliche Unversehrtheit haben müssen

Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke – als parlamentarische Beobachterin in Essen: “Viele tausend Menschen haben sich am vergangenen Wochenende in Essen der AfD friedlich in den Weg gestellt. Wenn wir Rechtsaußen die Stirn bieten wollen, dann reichen Sonntagsreden nicht aus. Essen ist aufgestanden gegen Rassismus und rechte Hetze. Diese Menschen sind das Schutzschild für die Demokratie. Ihnen und ihrem Engagement gilt unser Dank.”

Eine Vielzahl an zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Gruppen, die selbst Zeug*innen der Gewalt vor Ort geworden sind, fordern neben dem Bündnis widersetzen die kritische Aufarbeitung der polizeilichen Maßnahmen durch das Innenministerium.

( Ihr fordert das auch? Schreibt uns auf: presse@widersetzen.com

Hamburger Bündnis gegen Rechts

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen (VVN-BDA)

Komitee für Grundrechte und Demokratie

Aufstehen gegen Rassismus

Linksjugend [’solid‘]

Omas gegen Rechts Hamburg

Sönke, ein Mensch, der mit Schwerbehinderung beim Protest dabei war

Omas gegen Rechts, Gruppe Köln

Kathrin Vogler, Landessprecherin Die Linke NRW

Tim Sültenfuß, MdBB und Teil der Linksfraktion in der Bremischen Bürgerschaft

Ronja Schultheis, Aktiventreffen Die Linke Essen

Attac Deutschland 

Kiara Welsch, Bundesschatzmeisterin der Linksjugend [’solid]

Bewegungslinke NRW

Bochumer Initiative Polizeibeobachtung (BIP)

Ver.di Jugend Niedersachsen-Bremen

Die Linke, Kreisverband Essen

Berit Ehmke, ver.di Gewerkschaftssekretärin Hamburg 

Moritz Riedacher, TIERSCHUTZPARTEI Stuttgart

(weitere Organisationen und Einzelpersonen, werden laufend ergänzt)

Bereits öffentliche Videos und Berichte zu Gewalt:
eine Person am Boden wird am Kopf gezogen
https://www.instagram.com/reel/C8zXBn8szlh/?igsh=bGxwc2JnaDlxd2Y2

Bericht der Omas gegen Rechts, Gruppe Köln von der Gewalt aus dem Kessel an der Norbertstraße/Theodor-Althoff Straße: https://x.com/KolnOmas/status/1807529453234639010?t=5uaLGI5Kcy4rGyf46Ptr4A&s=19

Bericht eines*r Demonstrant*in ebenfalls aus dem Kessel an der Norberstraße/Theodor-Althoff Straße: https://x.com/amselzwitschern/status/1807143982268338583?s=46

eine Situation sichtbar ab 9:10min https://www.youtube.com/watch?v=6P_dtpJD5B8zu Beginn dieses Video: https://www.instagram.com/reel/C841rFosLDe/?igsh=ejFvcWduMm5tYTVo

Schlag mit Schlagstock auf am Boden sitzende Demonstrant*innen.
https://www.instagram.com/reel/C8y20h7uguw/?igsh=MTJydmY2aTV5cmswNg==